Geschichte der Internationalen Jugendbibliothek

Die Internationale Jugendbibliothek wurde am 14. September 1949 in einer Villa der Münchner Innenstadt als erste Bibliothek für internationale Kinder- und Jugendliteratur der Welt eröffnet. Gründerin war Jella Lepman. Die jüdische Kinderbuchautorin und Journalistin war 1945 im Auftrag der amerikanischen Besatzungsmacht als Beraterin für „die kulturellen und erzieherischen Belange der Frauen und Kinder in der amerikanischen Besatzungszone“ aus dem englischen Exil zurückgekehrt. Sie machte es sich zur Aufgabe, sich um die durch den Krieg traumatisierten und durch die nationalsozialistische Erziehung indoktrinierten Kinder und Jugendlichen zu kümmern. „Lassen Sie uns bei den Kindern anfangen, um diese gänzlich verwirrte Welt langsam ins Lot zu bringen. Die Kinder werden den Erwachsenen den Weg zeigen.“ Nicht mit Schokolade und Kaugummi, sondern mit den Verlockungen geistiger Nahrung verfolgte Lepman ihr Ziel. Sie rief internationale Verlage zu Buchspenden auf und sammelte innerhalb kürzester Zeit 4.000 Kinderbücher aus 14 Ländern, die im Juli 1946 im Münchner Haus der Kunst in einer „Internationalen Jugendbuchausstellung“ präsentiert wurden. Mit der Ausstellung entstand die Idee, eine Internationale Jugendbibliothek ins Leben zu rufen. Es dauerte noch drei Jahre, ehe diese nach amerikanischem Vorbild mit einem Freihandbestand und einem breiten Angebot für Kinder und Jugendliche gegründete Bibliothek finanziell auf gesicherten Beinen stand und die zahlreichen bürokratischen Barrieren weggeräumt waren.

Die Internationale Jugendbibliothek wurde mit einem Bestand von rund 8.000 Bänden eröffnet und war für die Kinder und Jugendlichen der Nachkriegszeit bald so etwas wie eine Insel des freien Geistes. Hier gab es neben ausländischen Büchern amerikanische Comics zu lesen, in Debattierklubs wurde über Neuerscheinungen diskutiert. Erich Kästner, mit Jella Lepman gut befreundet, leitete eine Jugendtheatergruppe, Autoren wurden kritisch interviewt, Fremdsprachenkurse und pädagogische Vortragsabende angeboten. Unter dem Dach konnten die Kinder an Staffeleien im Malstudio unter Anleitung des charismatischen Kunstpädagogen Ferdinand Steidle arbeiten, und in der „Kinder-UNO“ stand die Frage nach den Kinderrechten im Mittelpunkt. Es war ein „Werk echter Menschlichkeit – das Werk eines großen Herzens“, schrieb Carl Zuckmayer über die Gründung Jella Lepmans. Den damals aktuellen Begriff der Völkerverständigung vor Augen, sollte mit Hilfe internationaler Kinderbücher eine Brücke zwischen den Nationen geschlagen und die heranwachsende Generation für eine friedliche, demokratische und tolerante Zukunft gewonnen werden.

Obwohl sich das Profil und die Aufgaben der Internationalen Jugendbibliothek seither stark verändert haben, ist die Bibliothek bis heute dem Erbe Jella Lepmans verpflichtet. Ihre Ideale und Ziele sind nach wie vor aktuell und bestimmen die Programmarbeit der Bibliothek. So wird Kinder- und Jugendbüchern als Boten universeller Werte wie Toleranz und internationale Verständigung besondere Beachtung geschenkt und der interkulturelle Dialog durch Ausstellungen, Workshops und Gesprächsrunden gefördert.
 

© für alle Fotos: Stiftung Internationale Jugendbibliothek